Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)/ Umweltbundesamt (UBA) geförderte Projekt „Empowerment und Capacity Building in den ZGO für die Partizipation in der transdisziplinären Forschung“ der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende fand mit einer sehr gut besuchten Tagung am 7. Juni 2016 und prominenten Referent*innen einen gelungen Abschluss. Die Veranstaltung setzte ein deutliches Zeichen, dass die Bestrebungen nach mehr Partizipation der Zivilgesellschaft und demokratischeren Strukturen in der Forschungspolitik in Wissenschaft wie Politik ernst genommen werden. Gemeinsam müssen nun die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation so gestaltet werden, dass sie nachhaltige Transformationen fördern.
Prof. Dr. Hartmut Graßl, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) eröffnete die Tagung mit einer deutlichen Kritik an den bestehenden Strukturen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Hier gibt es seit Jahrzehnten etablierte Netzwerke, die ihre Errungenschaften gegenüber Newcomern aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen hart verteidigen. Jedoch verkenne die Forschungspolitik, dass nicht nur die großen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen entscheidende Forschung zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten. Zum Beispiel haben im Fall der Energiewende viele kleine zivilgesellschaftliche Bewegungen und Tüftlern die Entwicklung und Nutzung von erneuerbaren Energien maßgeblich vorangetrieben.
Dr. Steffi Ober, Projektleiterin der Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende, zog die Bilanz einer Erfolgsgeschichte. Die aktuelle Forschungspolitik setzt mittlerweile auf Citizen Science Ansätze, erprobt partizipatives Agenda-Setting und fördert große transdisziplinäre Förderlinien wie Kopernikus-Energiewende oder Zukunftsstädte. In Expertenräten wie dem Hightech-Forum finden sich erstmals Vertreter der Zivilgesellschaft wieder. Plattform Forschungswende wird zu Anhörungen im Bundestag oder Hightech-Forum geladen und ist vielfältig an der Diskursbildung in Forschung und Innovation beteiligt. Die Verbände entwickeln sich ebenfalls, sowohl der Dachverband der Entwicklungszusammenarbeit VENRO wie auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände bereichern den Zusammenschluss der Natur- und Umweltschutzverbände auf der zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende.
Unter der Moderation von Christiane Grefe (DIE Zeit) wurde in drei Panels diskutiert, ob und wie die Klimakonferenz in Paris und die Sustainable Development Goals (SDGs) das Wissenschafts- und Forschungssystem inhaltlich wie strukturell verändern.
Ministerialdirigent Dietmar Horn der Abteilung G, Grundsatzangelegenheiten der Umwelt-, Bau- und. Stadtentwicklungspolitik des Bundesministeriums für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit (BUMB) betonte, dass eine Reduktion der Erderwärmung auf 1,5 Grad und die SDGs unsere bisherigen Problemlösungsansätze und Herangehensweisen völlig in Frage stellen. In der Diskussion mit Prof. Dr. Kai Niebert (DNR), Daniela De Rider (SPD) und Prof. Dr. Hubert Weiger (BUND) wurde unterstrichen, dass eine notwendige gesellschaftliche Transformationen der Lebensstile und Konsumgewohnheiten in den gewohnten Strukturen nicht zu lösen sind. Um diese Fragen zu beantworten, muss ein strukturierter Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik vorangetrieben werden.
Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Platform (HVGP) und Mitglied des Lenkungsausschuss’ des Sustainable Development Solutions Network (SDSN), hob die Rolle der Kommunikation hervor. Gesellschaftliche Fragen in der Wissenschaft gemeinsam zu behandeln, in transdisziplinären Ansätzen zu forschen, erfordert intensive Kommunikation zwischen bislang getrennten Bereichen. Hier sieht sie auch den Beitrag der Plattform Forschungswende als gelungenes Angebot für neue Lern- und Kommunikationsräume zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Matern von Marschall (CDU), Dr. Inge Paulini (WBGU) und Dr. Klaus Seitz (BfdW) diskutierten auf dem Podium, ob der parlamentarische Beirat für Nachhaltigkeit ausreichend Brücken in die Gesellschaft baue und wie die deutschen Nachhaltigkeitsziele ohne die Auslagerung von Verschmutzung und Emissionen in ärmere Länder zu erreichen seien.
Ministerialrat Volkmar Dietz der Abt. 7, Grundsatzfragen Nachhaltigkeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), stellte in einem Überblick dar, an wie vielen Stellen bereits transdisiziplinär und partizipativ gearbeitet wird. An zwei Punkten entzündete sich eine lebhafte Diskussion mit Prof. Dr. Hartmut Graßl (VDW), Prof. Dr. Uwe Schneidewind (WI) und Olaf Tschimpke (NABU): erstens zur konkreten Frage, inwieweit die Schnittstellenarbeit von neuen Akteuren wie der zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende zu finanzieren sei, zweitens die generelle Fragestellung, wie gut die deutsche Regierung aufgestellt sei, um die SDGs umzusetzen. Hier wurde kritisch angemerkt, dass notwendige Governancestrukturen fehlen und dass Partizipationsformate unklar seien. Falls man es mit der Umsetzung der Agenda 2030 ernst meine, sei es wichtig, die Ressorts transdisziplinär aufzusetzen, sektorale Netzwerke in eine Querschnittspolitik einzubinden und die Entwicklung von Schnittstellen für eine integrative Forschungs- und Innovationspolitik zu fördern.
„Wie weiter?“ war das Motto des Nachmittages. Drei kurze Inputs von MinR Thorsten Menne (MiWF NRW), Dr. Maja Göpel (WI) und Prof. Dr. Sabine Junginger (P4T), vermittelten neue Horizonte und innovative Ansätze aus Politik, Wissenschaft und Organisationsentwicklung. In den anschließenden Zukunftsforen, moderiert von der Initiative Politics for Tomorrow, konnten die Teilnehmenden wichtige Aspekte des Vormittags in heterogen Kleingruppen vertiefen. Der Fokus lag auf der Entwicklung von konkreten Vorschlägen für die Zukunft einer Forschungswende. Hier gab es viele Ideen, die im Laufe der nächsten Tage aufbereitet und Ihnen dann als Download auf dieser Seite zur Verfügung stehen.
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