Die Suche nach gesellschaftlich robusten Lösungen: Transdisziplinärer Dialog & Energiewendeforschung

Das Projekt „CO2-Preis“ sucht nach einer nachhaltigen und sozial verträglichen Variante der CO2-Bepreisung. Ein Teil dieser Suche nach gesellschaftlich robusten Lösungen ist der Dialog zwischen Forschung und gesellschaftlichen Stakeholdern aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft, den die Plattform Forschung in diesem Projekt organisierte.

In einem Workshop im September 2021, im Rahmen der Wissenschaftskonferenz des Projektes CO2-Preis, reflektierten wir mit Expert*innen aus transdisziplinärer Theorie und Praxis, wie dieser Dialog gelingen kann und welche Erfahrungen in anderen Forschungsprojekten bereits gemacht wurden.

Das Podium bestand aus:

  • Steffen Dehn, Freelance Consultant, Prozessmoderation im Projekt „CO2-Preis“
  • Apl. Prof. Dr. Ulli Vilsmaier, Leuphana Universität Lüneburg
  • Prof. Dr.-Ing. Kai Hufendiek, Universität Stuttgart
  • Dr. Steffi Ober, Naturschutzbund Deutschland & Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende

Ausgehend von Thesen des Podiums gingen wir zudem einen Schritt über den Erfahrungsaustausch hinaus und fragten nach den Perspektiven für transdisziplinäre Forschung (TD): Welche Rolle kommt TD gerade in Zeiten von Wissenschaftsskepsis zu bzw. was kann TD hier beitragen? Was braucht es, damit TD auch in zukünftigen Forschungsprojekten einen Mehrwert für alle Beteiligten bietet? Welche Fragen bleiben noch offen?

Reflexion

In einem ersten Schritt reflektierten wir unser Vorgehen im Projekt mit den Expert*innen. Hierzu stellte Steffen Dehn das Prozessdesign vor, das Ulli Vilsmaier aus wissenschaftlicher Perspektive kommentierte. In der folgenden Diskussion mit den weiteren Expert*innen und ihren Erfahrungen aus der Praxis von TD standen folgende Themen im Vordergrund der Diskussion:

  • In einem guten Prozess werden die Forschungsthemen gemeinsam mit den Stakeholdern gestaltet. Meist sind diese jedoch durch den Projektantrag bereits vorgegeben. Wie kann dies im Prozess kompensiert werden, komplexe gesellschaftliche Themen integriert und dennoch Einfluss auf den Forschungsprozess genommen werden? Eine mögliche Lösung ist die Entwicklung gemeinsamer Fragestellungen aus dem Forschungsprojekt heraus, die dann in Folgeprojekte einfließen können.
  • Begreifen sich die Wissenschaftler*innen als Teil des transdisziplinären Teams oder als von den Stakeholdern aus der Praxis getrennte Gruppe? Für ein gutes Gelingen des Prozesses braucht es das Rollenverständnis, Teil eines gemeinsamen Teams zu sein. Dialog gehört zum „Soll“ der Wissenschaft.
  • In Workshops gibt es mitunter Aushandlungsprozesse zwischen Interessen. Es ist nicht immer einfach dies in einen Dialog und Koproduktion zu wandeln. Hier braucht es ein gutes Handwerkszeug und Methoden, die diesen Konflikt adressieren, wie z.B. Design Thinking, und eine Ko-Kreation fördern.
  • Nicht alle Menschen können mit TD erreicht werden, etwa die nicht-organisierte Zivilgesellschaft oder marginalisierte Gruppen. Aufsuchende Formate sind hier notwendig, spezifische Ansätze wurden bereits entwickelt.

Perspektive

Die anschließende Debatte um die Perspektiven von TD begannen die Expert*innen mit eigenen Thesen:

Prof. Vilsmaier zitiert Felix Guattari mit seiner Forderung „The [UN] Charter of Human Rights ought to include an article on the right of everyone to research.“ (Guattari, Félix (2015): Transdisciplinarity Must Become Transversality. In: Theory, Culture & Society 32 (5-6), 131–137, hier S. 132.).

Prof. Hufendiek bezog sich auf seine systemwissenschaftliche Perspektive: Durch die Integration gesellschaftlicher Perspektiven lässt sich die Transformation von System besser, effektiver und akzeptierter gestalten.

Steffen Dehn betonte, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Probleme als Ausgangspunkt von Forschung zu nehmen und die Perspektive der Nutzer*innen zu integrieren.

Dr. Ober schließlich hob die Bedeutung von Ressourcenplanung und Know-How (der Gutachter*innen) im Förderungsprozess hervor, die wichtig für den Erfolg von Dialogprozessen sind. TD müsse ernstgenommen werden, benötige ausreichend Zeit und Finanzen – und einen methodisch guten Prozess. Dies müsse sich in den Förderentscheidungen widerspiegeln.

Weitere Themen des Workshops

In der vielfältigen und breiten Diskussion des Workshops kamen weitere Themenbezügen ins Gespräch:

  • Um Betroffene und marginalisierte Gruppen gut einbeziehen zu können, wurden einerseits Bürgerräte und Losverfahren vorgeschlagen. Anderseits sei TD selbst bereits ein Ansatz, um marginalisierte Gruppen besser in den Forschungsprozess einbinden zu können, sie sichtbarer zu machen.
  • Mit dem Label „TD“ muss verantwortungsbewusst umgegangen werden: Prozesse müssen gut gestaltet sein, an den richtigen Punkten ansetzen, mit guten Methoden umgesetzt werden, brauchen das Commitment aus der Forschung usw. Mit schlechten Prozessen kann TD als Forschungsansatz „verbrannt“ werden.

Einen kleinen Exkurs konnten wir mit einem kurzen Blick auf Lateinamerika bzw. Südamerika unternehmen. Der Unterschied zu Europa liegt nach den Erfahrungen von Prof. Vilsmaier vor allem in einem höheren Grad der Politisierung. Forschung ist dort stärker mit Sozialen Bewegungen verbunden, wird öfter von diesen initiiert. Zugleich ist die Finanzierung von Wissenschaft in südamerikanischen Ländern viel prekärer und fragiler als in Europa.

Durch diese Situation gibt es ein stärkeres Aufeinanderzugehen von Bevölkerung und Wissenschaft und entsprechend ein höheres (Forschungs-) Prozess-Commitment unter den Beteiligten, insbesondere wenn ein Forschungsprojekt aus der Bevölkerung bzw. aus sozialen Bewegungen heraus zusammen mit Forschenden initiiert wurde. Mit Blick auf die deutsche Debatte und Geschichte wurde jedoch auch schnell klar, dass die Verknüpfung von Politik und Wissenschaft hier sehr sensibel gehandhabt werden muss.

Der Workshop wurde moderiert von Martin Burwitz und Katharina Ebinger von der Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende.

Die Wissenschaftskonferenz und dieser Workshop wurden im Rahmen des Projektes „CO2-Preis“ gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.


VERWANDTE LINKS

Weitere Informationen zum Projekt CO2-Preis

Website www.co2-preis.info

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