Für zukunftsfähige Forschung und Innovation mit und für die Gesellschaft

Unsere Roadmap für ein zukunftsfähiges Forschungs- und Innovationssystem

Durch die Auswirkungen der weltweiten COVID 19 Pandemie wird vielen Bundesbürger*innen erstmals bewusst, wie störanfällig, fragil und belastet unsere globalisierte und auf Effizienz getrimmte Gesellschaft ist.

Gleichzeitig werden auch die Folgen der Klimakrise und des Biodiversitätsverlustes in Deutschland und weltweit immer sichtbarer. Im Kontext der Pandemie rücken Forschung und Wissenschaft derzeit in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Sie zeigen eindrücklich den Mehrwert auf, den sie für die Gesellschaft leisten können: Empfehlungen für die wirkungsvolle Lösung der weltweiten Probleme zu erarbeiten und der Politik als Handlungsgrundlage mitzugeben.

Wir stehen vor einem Zeitenwandel. Aus der derzeitigen Krisenerfahrung gilt es zu lernen. Die anstehenden Transformationsprozesse hin zu einem nachhaltigen und resilienten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs), müssen begleitet und gestaltet werden: Es braucht die Bündelung und tatkräftige Umsetzung der besten Ideen und Inspirationen und die Zusammenarbeit aller Wissens- und Entscheidungsträger*innen.

Forschung und Innovation für die Lösung der gegenwärtigen Krisen und globalen Probleme stehen daher folgerichtig im Fokus einer zukunftsfähigen Forschungspolitik. Doch obgleich diese Erkenntnis von immer mehr Menschen geteilt wird, bewegt sich in unserem Forschungs- und Innovationssystem (FuI) derzeit wenig. Auch wird es den realen Erfordernissen nicht mehr gerecht, die Innovationskraft ausschließlich an Produkten, Patenten oder dem Anteil der Forschungsausgaben am Bruttosozialprodukt (vgl. das 3,5%-Ziel der Bundesregierung) zu messen.

Wir brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung unseres Forschungs- und Innovationssystems – unter Einbezug der sozialen, ökologischen, kulturellen und ökonomischen Dimension:

Ein Forschungs- und Innovationssystem für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts!

Bislang fehlen für einen solchen zukunftsfähigen Ansatz grundlegende Konzepte, Strukturen und Schnittstellen sowie ein ernsthafter politischer Wille, um Nachhaltigkeit im FuI-System dauerhaft zu integrieren. Strukturelle Innovationen und Institutionelle Veränderungen sind Voraussetzungen für ein zukunftsfähiges FuI-System. Gefragt sind neue Schnittstellen und Begegnungsräume für Akteure und Wissensträger*innen, die die Pluralität der Gesellschaft und gesellschaftliche Anforderungen an nachhaltigen Fortschritt und zukunftsfähige Innovationen angemessen abbilden können.

Diese Anforderungen an die Neugestaltung des FuI-Systems basieren auf den Erfahrungen und Erkenntnissen der unterzeichnenden Organisationen im Forschungs- und Innovationssystem. Sie beziehen dabei die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Transformationsforschung ein und berücksichtigen Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) oder der Gutachten der Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI).

Auf dieser Grundlage fordern die Unterzeichner*innen aus der organisierten Zivilgesellschaft die Umsetzung der folgenden strukturellen Veränderungen der Forschungs- und Innovationspolitik:

Roadmap für ein zukunftsfähiges Forschungs- und Innovationssystem

Neue Schnittstellen, Akteure und Begegnungsräume für Wissensträger*innen etablieren.

1. Zivilgesellschaft im FuI-System stärken:

Durch die Einrichtung einer forschungspolitischen Plattform der organisierten Zivilgesellschaft sollen Ressourcen und Kapazitäten für zivilgesellschaftliche Organisationen bereitgestellt werden, damit sie sich in das FuI-System einbringen können.

2. Wissenschaft und Forschung in der Zivilgesellschaft stärken:

Ein selbstverwalteter Forschungsfonds der zivilgesellschaftlichen Gemeinschaftsforschung soll analog der Industriellen Gemeinschaftsforschung zur Erforschung relevanter Querschnittsfragen eingerichtet werden.

3. Schnittstellen zwischen FuI-System und Zivilgesellschaft ausbauen:

Die Foren des innovationspolitischen Agenda-Settings (wie das Hightech-Forum) sind konsequent transdisziplinär mit Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu besetzen.

Nachhaltigkeit im FuI-System stärken

1. FuI-Politik auf das Ziel resilienter Lebensräume und einer nachhaltigen Zukunft ausrichten:

Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht es systemische wirtschaftliche, institutionelle, kulturelle, technische wie soziale Innovationen. Nur eine Gesellschaft, die die planetaren Grenzen respektiert, sozial gerecht agiert und in diesem Sinne ökonomisch aufgestellt ist, kann zukunftsfähig sein. FuI-Politik muss alle Anstrengungen zur Erreichung dieser Ziele in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellen.

2. Nachhaltige Innovationen sichtbar machen:

Wir müssen neue ganzheitliche und systemorientierte Indikatoren für die Messung der Innovationskraft von Wissenschaft und Forschung, ausgerichtet auf eine nachhaltige Entwicklung, entwickeln und anwenden.

3. Neue Schwerpunkte in der inhaltlichen und disziplinären Ausrichtung der Forschungsförderung:

Es bedarf mehr ganzheitlicher Systemanalysen anstelle der Förderung von fachspezifischen Einzelprojekten. Die Erarbeitung von Systemwissen verlangt mehr inter- und transdisziplinäre, anwendungsorientierte Forschung ebenso wie mehr wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschung wie etwa zu nachhaltigen Wohlstandsmodellen, nachhaltigen Lebensstilen, Konsummustern und Arbeits(zeit)modellen oder im Bereich der Zivilgesellschaftsforschung. Forschungsförderung muss dabei auch Anreizsysteme für gemeinwohlorientierte Forschung und die entsprechenden Förderrahmenbedingungen für die Beteiligung von Akteur*innen und schaffen.

4.Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung im Wissenschaftssystem fest verankern:

Transdisziplinäre Methoden müssen in die wissenschaftliche Ausbildung integriert werden, der Aufbau von Grundlagen und Qualitätsstandards für Transdisziplinarität gefördert und transdisziplinäres Forschen als zentraler Faktor in den wissenschaftlichen Anreizsystemen und Karrierepfaden etabliert werden.

5. Förderung des Wissenstransfers für eine nachhaltige Entwicklung:

Praxis-Hochschul-Kooperationen sollen Forschung und Lehre gezielt in einen gesellschaftlichen Kontext einbetten und damit transdisziplinäre Nachhaltigkeitswissenschaft im Austausch mit und unter aktiver Beteiligung der Gesellschaft stärken.

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