Mit mehr als 100 TeilnehmerInnen zogen die OrganisatorInnen der Zivilgesellschaftichen Plattform Forschungswende am 07.05.2014 in der BBAW ihre Zwischenbilanz. Seit Start der Plattform im Sommer 2012 hat die Plattform mit einer Reihe von Veranstaltungen, einem Gutachten zur Transparenz und Partizipation in der Wissenschaftspolitik und eigenen Forderungen der zivilgesellschaftlichen Verbände das Thema der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft auf die wissenschaftspolitische Agenda gebracht.
Nicht zuletzt die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankerte Einbindung der Zivilgesellschaft in der Diskussion neuer Forschungsprogramme zeigt, dass es bei diesen Forderungen nicht mehr um die grundsätzliche Frage des Ob, sondern um die Fragen des Wie der zivilgesellschaftlichen Partizipation in der Wissenschaftspolitik geht. Genau da liegt jedoch noch ein gemeinsamer Such- und Lernprozess vor uns. Gelingende Partizipation bedarf einer gründlichen Planung vorab ebenso wie den Willen der Politik, den Bürgerwillen auch umzusetzen. Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass Gesellschaft, Politik und Wissenschaft hier erst am Beginn eines gemeinsamen Such- und Lernprozesses stehen.
Der politikrelevante Wissensbedarf in Querschnittsthemen lässt sich heute schwerlich von wenigen Individuen beantworten, deshalb sind neue Akteure und Netzwerke in die Governance der Forschungspolitik mit einzubeziehen. Was muss passieren, damit die Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Akteure in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann? Projektleiterin Dr. Steffi Ober stellte in ihrem Input dar, dass erfreulicherweise immer mehr Prozesse in der Forschungspolitik geöffnet werden können. Die Beteiligung der Zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO) wird nachgefragt, doch es mangelt ihnen an ausreichenden Strukturen und Personal, um auf Augenhöhe partizipieren zu können. Forschungspolitik für die Große Transformation lebt von der Integration der Interessen. Doch vor der Integration steht immer die Diversität, das Ringen um die besten Konzepte und Abwägen von Interessenskonflikten. Hier wollen sich die Verbände stärker einbringen und kreativ eine gemeinsame Zukunft mitgestalten.
Prof. Dr. Uwe Schneidewind ergänzte diesen Ansatz und stellte sehr deutlich die verschiedenen Ebenen der Partizipation heraus. Auf der Policy-Ebene, der Ebene der Politikgestaltung, werden die großen Linien der Zukunftsentwürfe beraten und die Mittelverteilung gesteuert. Auf der mittleren Ebene der Programmgestaltung geht es konkret um die Ausgestaltung des nächsten Energieforschungsprogrammes oder von FONA, wie auf der Veranstaltung von Sustainabilty in Science am nächsten Tag. Auf der konkreten Projektebene sind die Verbände dann in der transdisziplinären Forschung als Praxispartner gefragt. Auf dieser Ebene können sie seit neuesten in den Reallaboren Erfahrungen in der Kooperation mit der Wissenschaft sammeln.
In der Plenumsdiskussion unter der Moderation von Dr. Inge Paulini (WBGU) wurden diese Ansätze kontrovers diskutiert. Ministerialdirigent Dr. Eugen Huthmacher (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)) sieht in seiner Abteilung das Programm FONA au einem sehr guten Weg, eine breite Beteiligung von Bürgerdialogen bis zur Partizipation in Agendasettingprozessen zu realisieren. Allerdings sei es nicht die Aufgabe seines Hauses, die Beteiligung der ZGO zu finanzieren. Prof. Dr. Hubert Weiger (BUND) hielt dagegen, dass die Partizipation der Verbände eine gesellschaftlich gewünschte Anforderung sei, die drohe, die Verbände zu überfordern. Zudem werden in den Universitäten ökologische und systemische Themen eher an den Rand gedrängt und fehlten zunehmend an Expertise auf für die Umweltverbände. Uwe Schneidewind bekräftigte, dass nach den ersten Erfolgen die Herausforderung darin liege, die institutionellen Voraussetzungen für größere Ressourcen in den ZGOs zu stärken. Ein Beispiel sind Reallabore: sie zeigen eine strukturelle Veränderung in der Wissenschaft und bieten neue Narrative an, wie es funktionieren kann. Der Transformationsprozess könne nur gewinnen, so ein Prof. Dr. Joachim Spangenberger, wenn sich die ZGO als eine reflexive Begleitung des BMBF einbringen. Eine Möglichkeit einer besseren finanziellen Unterstützung der Verbände könne auch darin liegen, sie in der Projektvorlaufphase bis zur Co-Kommunikation mit zu finanzieren.
Hannah Gebel (DLR) stellte kurz die Möglichkeiten im nächsten europäischen Forschungsrahmenprogramm vor. Unter Responsible Research and Innovation werden dort zivilgesellschaftliche Themen aufgegriffen und in den Forschungsagenden stärker integriert. Dies betrifft Gender ebenso wie Ethische Fragen und Bildung. Zum Vortrag.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde Forschung und Innovation konkret zum Thema:
Innovation ist der unverzichtbare Rohstoff in der Wissengesellschaft, soziale und technische Innovationen die Grundlage der Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Doch wo finden neue Entwicklungen statt, wie werden daraus Anstöße in er Forschungspolitik und umgekehrt: wie wird Wissen so kommuniziert, dass daraus gesellschaftliche Innovationen werden?
Rüdiger Goldschmidt (Uni Stuttgart) leitete seine Darstellung der vierzigjährigen Erfahrung in der Beteiligungsforschung mit folgendem interessanten Zitat ein: Demokratie ist eine Ordnung, bei der sich der Kampf um die Demokratie selbst legitimiert.[1]
Zivilgesellschaftliche Organisationen in die Aushandlungen über Forschungsstrategien mit einzubeziehen, stärkt die Demokratie. Zum anderen können sie gegenüber Experten deutlich machen, was akzeptabel und wünschbar ist. Das Format ist ein entscheidender Faktor für Partizipation. Welche Strategie wird gefahren? Wer wird beteiligt? Wie ist die Qualitätssicherung/Evaluation, wie die sozialwissenschaftliche Begleitforschung? Welche Lerneffekte folgen für den nächsten Schritt? Lesen sie mehr.
Dr. Mathias Bergmann (ISOE) betont in seinem Vortrag, dass transdisziplinäre Forschung an erster Stelle ein wissenschaftlicher Prozess sei, der neue Fragen generiere. Er erinnert daran, dass Transdisziplinarität eine etablierte Methode und nicht beliebig anwendbar sei.
Transdisziplinarität ist ein integrativer, methodengeleiteter Forschungsmodus, der als Antwort auf das zunehmende Missverhältnis zwischen komplexen Problemcharakteristiken und existierenden Formen der Wissenserzeugung entwickelt wurde. Ein transdisziplinärer Forschungsansatz unterstützt die Lösung oder Transformation gesellschaftlicher Probleme/Aufgaben und zugleich dabei entstehender wissenschaftlicher Probleme, indem Wissen aus verschiedenen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektiven und Praktiken der Wissensproduktion zusammengeführt wird.
Wie diese Anforderung in den verschiedenen partizipativen Ansätzen wie Forschungsforum Energiewende oder SÖF-Projekt realisiert wird, führt Herr Bergmann in seinem Vortrag aus.
Dr. Stella Veciana und Dr. Claudia Neubauer nahmen in ihrem Vortrag die Bottom-Up Perspektive ein. Wie stehen transformative Projekte wie das KEBAB Projekt – ein Energiebunker in Hamburg – mit Wissenschaft in Verbindung?. Welche Fragestellungen kommen in ihrem Projekt auf und wie können sie sie diese mit den Wissenschaftlern lösen? Wie kann eine gewinnbringende Zusammenarbeit zwischen Bottom-Up Initiativen und Wissenschaft gelingen? Diese und andere Projekte aus der Energie- und Gesundheitsszene sollen in einem Good-Practise Paper zusammengefasst werden. Das Papier erscheint im Herbst 2014. Lesen sie mehr.
In der Podiumsdiskussion unter Moderation von Dr. Felix Wagner (Research Community) wurden die konkreten Ansätze aus der Politik wie Forschungsforum Energiewende oder Plattform Zukunftsstadt näher beleuchtet. Dr. Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der AG Bildung und Forschung der SPD-Bundestagfraktion, verwies darüber hinaus auf den laufenden politischen Prozess, in den es sich aktiv einzubringen lohnt. Die SPD hat in einem 2013 erschienen Positionspapier die Idee eines Bürgerzukunftsfonds gestärkt.
Ebenso verwies er darauf, dass das Haus der Zukunft ein Ort werden könne, der der gemeinsamen Diskussion um die Zukunft dient. Allerdings seien die ZGO in der Struktur des Hauses noch wenig integriert. Dabei können diese gerade zu Wertefragen große Kompetenzen einbringen, damit die globale Gerechtigkeit im Sinne der Brundtland-Definition (Rio92) für Nachhaltigkeit keine Leerformel bleibe.
Das Projekt Forschungswende soll ab August 2014 in eine zweite Förderperiode starten. Schwerpunkte der nächsten beiden Jahre wird die stärkere Verzahnung zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaftlichen Organisationen auf Bundes- und auf Länderebene. Regional-Konferenzen in mehreren Bundesländern sollen die Länderansätze für eine transdisziplinäre Wissenschaftspolitik stärken. Die zivilgesellschaftliche Plattform findet auch in Europa Beachtung. In Horizon 2020 soll public engagement gestärkt werden, dazu trägt das Projekt einen Baustein bei.